Schwimmen auf dem Brauhausberg

Das Schwimmbad im Wandel der Zeit. Auf dem Brauhausberg eröffnet ein neues Schwimmbad. Eine aktuelle Pressenachricht von 1971. Eine aktuelle Pressenachricht von 2017.

Die Volksbadeanstalt

In der renovierungsbedürftigen Potsdamer Altstadt, rund um das Holländische Viertel, in dem der Wohnraum heute fast unbezahlbar geworden ist, war zu DDR-Zeiten eine Badeanstalt dringend nötig. Die Wohnhäuser beherbergten meist nur eine Toilette für alle Hausbewohner_innen und pro Wohnung ein Waschbecken. Ein Zustand, der bis zum Ende der DDR anhielt.

Noch heute erzählen die Potsdamer_innen mit glänzenden Augen von ihrem ei-förmigen Jugendstilbad, dem Werner-Alfred-Bad in der Hegelallee 23, das 1913 von der Stifterin Käthe Pietschker für die Stadtbevölkerung erbaut wurde. Das Bad mit den goldenen Wasserhähnen, war nach ihrem 1911 als Pilot verunglückten Sohn Werner Alfred benannt und besaß in der oberen Etage Badewannenzimmer, die man zum privaten Waschen nutzen konnte. Hier konnten die Bewohner_innen der Altstadt eine Badewanne volllaufen lassen, um sich und die ganze Familie zu waschen.

Es wurde 1992 geschlossen und umgebaut. Heute ist hier ein Bioladen untergebracht. An den Innenwänden sind die Fliesen noch erhalten und wo einst die Kinder untertauchten, kauft man nun auf dem Beckengrund Bio-Gemüse ein.

Interview mit Helen Thein – Über die Bezirksleitung auf dem Brauhausberg und das Werner-Alfred-Bad

Alle mussten mit anpacken

Schon in den 1960er Jahren wurde allerdings klar, dass das Werner-Alfred-Bad den Bedürfnissen der wachsenden Stadt nicht standhalten konnte. Auf der Suche nach einem geeigneten Standort für ein neues Bad, wurde man am Brauhausberg fündig. (Mehr zum Brauhausberg beim Artikel zum “Terrassenrestaurant Minsk”)

Alltag und Diktatur:

Subbotnik

(Russisch für Samstag)
Unbezahlte Arbeitseinsätze für die Allgemeinheit, u.a. bei Neubauten, Frühjahrsputz in Wohnsiedlungen oder Schulen waren in der DDR geläufig. Obwohl es hieß, dass sie freiwillig seien, wurde häufig Druck ausgeübt. Und manch eine/r erhoffte sich durch seinen/ihren freiwilligen Einsatz Vorteile zu erhalten, wie beispielsweise bei der Erteilung einer Wohnung oder eines Telefonanschlusses.

Das verwilderte Gelände wurde zunächst durch die “freiwilligen” Arbeitseinsätze der Potsdamer Bevölkerung freigeschaufelt. Auf dem freigelegten Gelände wurden zwischen 1969 und 1971 die neue Schwimmhalle und gleich nebenan das Terrassenrestaurant Minsk erbaut. Potsdamer Betriebe mussten per Beschluss der SED-Führung Bauleistungen durch Materialien und Spenden unterstützen. Vor allem Schulklassen und sportinteressierte Potsdamer_innen wurden vor der Eröffnung mit Putzlappen und Eimern zum freiwilligen Dienst aufgefordert, um die Baustelle zu reinigen. Am 7. Oktober 1971, zum 22. Jahrestag der DDR, wurde das Schwimmbad schließlich eröffnet. Die Jahrestage der DDR wurden häufig mit der Eröffnung von öffentlichen Gebäuden gefeiert, da sich hier das SED-Regime modern und bürgernah zeigen konnte.

Das neue Schwimmbad bot den Schüler_innen Schwimmunterricht und den Potsdamer_innen eine Freizeitmöglichkeit. Es fanden aber auch Kreis-, Bezirks- und DDR-Meisterschaften sowie weitere Schwimm- und Sportfeste statt. Der Weltrekord im Brustschwimmen wurde hier 1979 von Lina Kačiušytė aus der Sowjetunion neu aufgestellt.

Die Schwimmhalle

Schwimmhalle mit Stahlseilkonstruktion (c) Anna Stecher - Kooperative Berlin
Schwimmhalle mit Sicht auf die Stahlseilkonstruktion (c) Anna Stecher – KOOPERATIVE BERLIN

Das Gebäude war ein Typenbau, also ein Entwurf, der nahezu identisch an verschiedenen Standorten gebaut werden konnte. Zunächst war diese Ausführung von den Architekten Günther Nichtlitz, Eva Kaltenbrunn und Eitel Jackowski für den Freiberger Platz in Dresden entwickelt worden. Weitere Hallen dieses Typus entstanden in Rostock, Leipzig, Halle und Erfurt. Der Architekt Karl-Heinz Birkholz passte den Potsdamer Entwurf von Eva Herzog an die topographischen Bedingungen des Brauhausberges an. Der Stahlbetonskelettbau hat ein konkaves Dach. Diese Hängeschale hat eine Spannweite von 40 Metern und wird von einer nach außen sichtbaren Konstruktion des Seiltragwerkes gehalten. Die aufwändige Deckenkonstruktion barg schon zu DDR-Zeiten immer wieder Schwierigkeiten und musste mehrmals aufwendig überarbeitet werden. Immer wieder regnete es hinein.

Blu

Wandrelief
Metall-Plastik “Die Badende” von Werner Nerlich (c) Anna Stecher – KOOPERATIVE BERLIN

In den 1990er Jahren wurde mehrmals versucht das Gebäude grundlegend zu sanieren, allerdings ohne Erfolg. In den 2000er Jahren entschloss sich die Stadt Potsdam ein neues Bad zu bauen. Die Potsdamer_innen wünschten sich weiterhin ein Freizeitbad am Brauhausberg und seit dem Sommer 2017 ist dieses neue Bad “Blu” eröffnet. Die Mitarbeiter_innen des alten Bades sind mit in das neue Gebäude umgezogen und werden fortan hier Schwimmunterricht geben, als Bademeister arbeiten oder an der Kasse den Eintritt einfordern. Auch die Metall-Plastik “Die Badende” von Werner Nerlich, ein Relief, das am Giebel des alten Schwimmbades hing, hängt nun auf der westlichen Außenwand des neuen Freizeitbades. Das alte Schwimmbad soll abgerissen werden, genau wie das Terrassenrestaurant Minsk. Einzelne Initiativen wie beispielsweise Pro Brauhausberg protestieren gegen den Abriss. Ein Antrag auf Denkmalschutz wurde 2011 abgelehnt, da die Schwimmhalle in Potsdam ein “Wiederholungsbau” sei und das Original in Dresden stehe.


Adresse: Schwimmhalle am Brauhausberg Max-Planck-Straße 15, 14473 Potsdam

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