Kaputte Häuser und eine verheerende Mietpolitik – Schwarzwohnen in der DDR

Der akute Wohnungsmangel zwang viele Bürger_innen in Leipzig und der ganzen DDR zu Hausbesetzungen. Die “Schwarzwohner” bezogen verlassene Altbauten und sanierten auf eigene Faust. Vor allem junge Menschen arrangierten sich mit morschen Fenstern, fehlenden Wänden und feuchten Decken.

Der Wohnungsmangel war eines der zentralen Probleme der DDR. Die Zerstörungen vieler Wohnhäuser zum Ende des Zweiten Weltkrieges sorgten für eine schlechte Ausgangslage. Die fatale Wohnungsmarktpolitik der SED tat ihr übriges.

Es wird eng

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen viele Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten Deutschlands in die zerstörten Städte und benötigten Wohnraum. Häuser mussten von Trümmern befreit und wieder instand gesetzt werden. In der DDR wurde, wie zunächst auch in der Bundesrepublik, der Wohnraum bewirtschaftet. Das heißt, dass eine staatliche Kommission über die Wohnraumvergabe entschied. Mieter_innen konnten sogar gezwungen werden Zimmer in ihrer Wohnung unterzuvermieten. Mit dieser Maßnahme stieß die SED-Führung allerdings auf so viel Widerstand, dass sie im Verlauf der 1950er Jahre zurückgenommen wurde.

Offiziell hatten zwar Bedürftige Vortritt bei der Wohnungsvergabe, inoffiziell erhielten allerdings häufig diejenigen eine Wohnung, die durch ihren Status oder ihre politischen Verbindungen Einfluss ausüben konnten. Die für den Aufbau dringend benötigten Führungskräfte emigrierten in Scharen nach Westdeutschland. Mit der Bevorzugung bei der Wohnungszuteilung hoffte die Partei sie zum Bleiben bewegen zu können. Auch nach dem Mauerbau 1961 spielte politische Loyalität eine gewichtige Rolle in Wohnraumfragen. Gleichzeitig ging die Zahl der Wohnungen, die frei wurden weil Menschen in der Westen flohen, zurück. Der Wohnraummangel wurde noch deutlicher.

Am falschen Ende gespart?

Vor allem im Systemvergleich mit kapitalistischen Gesellschaften hob die SED Regierung immer wieder gerne die dauerhaft günstigen Mieten in der DDR hervor. Die Mietpreispolitik der Regierung hatte jedoch fatale Folgen.

Weil der Mietpreis auf den Stand von 1936 festgesetzt wurde, konnten private Hauseigentümer_innen ihre Häuser mit den Mieteinnahmen nicht kostendeckend instand halten. Bis 1961 gab es mehr private als staatliche Wohnungen, so dass die Mietpreisbindung zu Lasten der privaten Eigentümer_innen und deren Mieter_innen ging. Der SED-Staat baute bis 1990 circa zwei Millionen Neubauwohnungen. Dieser staatlich finanzierten Wohnungsbau belastete zunehmend den Staatshaushalt.

Altbauten in der Innenstadt

Gleichzeitig verfielen die Altbauten in den Innenstädten und boten immer weniger Wohnqualität. Das war zum einen die Folge des Wohnungsbauprogramms der SED, das Baukapazitäten und Arbeitskräfte vorwiegend im Wohnungsneubau einsetzte. Fehlendes Material und Fachkräfte für Reparaturen und DDR-Bürger_innen, die Neubauwohnungen bevorzugten, trugen zum Verfall der Altbauwohnungen bei. Das Resultat war eine enorm hohe Leerstandsquote von bis zu sechs Prozent aller Wohnungen, besonders in den Innenstädten.

Wer also in Leipzig keine guten Beziehungen zur SED-Partei hatte und nicht in einem Kombinat arbeitete, musste oft lange auf eine Wohnung warten, denn die begehrten Neubauwohnungen waren rar.

Selbst ist der Mieter

Viele Menschen waren von der zähen und oft unfairen Wohnungsvergabe erschöpft und suchten sich andere Wege, um an eine Wohnung zu kommen, berichtet Udo Grashoff. Der Historiker der Universität Leipzig hat in seinem Buch das Phänomen Schwarzwohnen in Leipzig untersucht. Manche verkleideten sich für die Renovierungsarbeiten als Handwerker und taten später so, als hätten sie eine staatliche Zuweisung. Schwarzwohner_innen reparierten eigenhändig Dächer und Fenster, zogen Wände hoch und sanierten so ganze Häuser.

Informationen über frei stehende Wohnungen sprachen sich per Mundpropaganda herum und wurden auch häufig in kirchlichen Kreisen weitergegeben. Unter der Hand wurden Mietverträge abgeschlossen und die Miete anonym bezahlt. In Leipzig war das vor allem in den Stadtvierteln Connewitz, Reudnitz und Plagwitz der Fall. Das Phänomen war jedoch in allen größeren Städten der DDR vorhanden. Siehe beispielsweise das Holländische Viertel in Potsdam, welches im Beitrag “Schwimmen in Potsdam” beschrieben wird.

Wer waren die Schwarzwohner_innen

Das Scharzwohnen war in der DDR aufgrund der Wohnungsknappheit fast eine Notwendigkeit, im Gegensatz zur Hausbesetzer_innenszene in der Bundesrepublik, die zumeist politisch motiviert war. Die Altbauwohnungen zwar in einem schlechten Zustand, doch häufig großzügig geschnitten. In den Wohnungen lebten alte Menschen, junge Familien, Künstler_innen, Studierende und alle, die die Nähe in die Innenstadt schätzten. Die Wohnungen wurden oft zum Treffpunkt von Kreativen und Literat_innen, es gab Lesungen, Partys und Konzerte. Ein bekannter Schwarzwohner war der Künstler Maix Mayer. Er lebte fast sechs Jahre in einer solchen Wohnung. Historiker Udo Grashoff berichtet, dass sich unter den Schwarzwohner_innen gar SED-Mitglieder und Schichtarbeiter_innen fanden.

Schwarzwohnen war fast eine Notwendigkeit

Schwarzwohnen war kein Verbrechen. Schwarzwohner_innen hatten höchstens mit einer Geldstrafe zu rechnen – in der Regel 100 DDR-Mark. Wer nachweisen könnte, dass er bedürftig war, konnte einer Geldstrafe entgehen.


Adresse: Schwarzwohnen in der Neudorfgasse 12 04277 Leipzig-Connewitz

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