Mitten im Prenzlauer Berg – zwischen Schönhauser Allee und Mauerpark – tut sich der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark auf. Direkt an der ehemaligen Grenze zu West-Berlin und dem heutigen “Mauerpark”. Genutzt wird der Sportpark vor allem von den Bewohner_innen der Umgebung. Dass hier Geschichte geschrieben wurde, fällt erst auf den zweiten Blick auf.
Exerzierplatz, Berliner Sportpark, Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark
Alltag und Diktatur:
Vereinsnamen
Die Namen von zahlreichen Vereinen verraten aus welcher Sportvereinigungen sie entstanden sind und wer der Träger der Betriebssportgemeinschaften (BSG) war. Bei Chemie Leipzig waren das beispielsweise chemische Betriebe. Viele der hier trainierenden und spielenden Leistungssportler waren Angestellte jener Betriebe.
Dynamo bedeutete beispielsweise, dass der Träger die Volkspolizei (Dynamo Dresden) oder das Ministerium für Staatssicherheit (BFC Dynamo) war. Diese Bezeichnung stand in Tradition zu den Sportverbänden der Sicherheitsorgane in der Sowjetunion.
Entstanden ist die Fläche 1904 zunächst als Exerzierplatz. Um den Platz herum entstanden dann mehr und mehr Wohnhäuser, sodass die militärische Nutzung aufgegeben wurde. Später wurde ein Übungsplatz errichtet, der 1913 zu einer Spiel- und Sportanlage umgebaut wurde.
Anlässlich der Weltjugendfestspiele 1951 in der DDR gestaltete der Architekt Rudolf Ortner den erneuten Umbau, so dass neben Spiel-, Trainings- und Wettkampfstätten auch ein Fußball- und Leichtathletikstadion entstanden. Das Stadion hieß zunächst Berliner Sportpark, wurde aber ein Jahr später zu Ehren von Turnvater Friedrich Ludwig Jahn unbenannt, dessen Todestag von 1852 sich zum 100. Mal jährte.
Nach dem Umbau nutzte der Fußballverein Vorwärts Berlin das Stadion. Der Verein wurde jedoch 1971 nach Frankfurt Oder delegiert, so dass nun der Berliner Fußballclub (BFC) Dynamo hier sein Heimatstadion von 1971 bis 1992 hatte und seit 2014/15 wieder einer der Hauptnutzer ist. 1964 wurde die Flutlichtanlage installiert und 1986/87 das Stadion komplett saniert und eine neue Haupttribüne errichtet. Mit der erneuten Sanierung im Jahr 1998 kamen die markanten, bunten Schalensitze hinzu. Es ist das drittgrößte Stadion Berlins nach dem Olympiastadion und der Alten Försterei.
Die Grenze zwischen den Systemen
Links und Literatur:
Gedenkstätte Berliner Mauer
Chronik der Mauer
Ausstellungstafeln an der Bornholmer Straße
11Freunde Spezial: DDR – Fußball im Wilden Osten. September 2016.
Die Mauer zwischen Ost- und Westberlin, also zwischen der DDR und der Bundesrepublik und somit zwischen den Systemen, verlief zunächst direkt entlang des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks. Die Grenzschließung, die am 13. August 1961 mit Maschendrahtzaun und Beton begann, wurde Stück für Stück zur Berliner Mauer ausgeweitet. Zum Ende der DDR stand hier ein sogenannter Todesstreifen, mit einer Lichttrasse, die bei Nacht das ganze Areal hell erleuchtete.
Dass der Mauerverlauf unmittelbar an das Jahn-Stadion grenzte, war ein Dorn im Auge der SED-Führung. Sie handelte mit der Bundesrepublik einen Gebietsaustausch aus und konnte die Grenze an dieser Stelle um 50 Meter in den Westen verschieben. Die Bauarbeiten begannen im März 1989 und schlossen – Ironie der Geschichte – im November ab, kurz vor dem Mauerfall. Luftbilder zu der errichteten Grenzanlage können auf der Seite der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) hier eingesehen werden.
Im Westen der Mauer lag der Todesstreifen, der heutige Mauerpark, und im Norden grenzte der Jahn-Sportpark an den Falkplatz mit Vorderlandmauer und Wachturm an. Dort befindet sich auch der Gleimtunnel, der 1903/04 erbaut wurde, und der mit seiner 130 m Länge eher einer Unterführung gleicht. Der Gleimtunnel im Norden des Areals lag zunächst vor dem Grenzgebiet der DDR und war mit Beginn des Mauerbaus 1961 bis Mauerfall 1989 nicht passierbar, weil der östliche Ausgang durch die Mauer versperrt war. Mit der letzten Grenzverschiebung 1988/1989 kam ein 50 Meter breiter Streifen im Westen hinzu, so dass der Gleimtunnel nun teilweise zum DDR Bezirk Prenzlauer Berg gehörte.
Noch weiter im Norden befindet sich die Bösebrücke, die neben dem Grenzübergang an der Bornholmer Straße lag. Am 9. November war es der erste Grenzübergang, der für die DDR-Bürger_innen geöffnet wurde.

Die Mauer ist weg, die Erinnerung bleibt
Heute gibt es direkt an der Bösebrücke Ausstellungstafeln, die auf den Mauerfall und die Grenzöffnung hinweisen. Der Gleimtunnel wurde saniert und ist wieder befahrbar und seine alten, unsanierten gusseisernen Säulen erinnern an die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Der Mauerpark ist heute ein quirliger Ort, an den Menschen aus der ganzen Welt reisen, um hier im Park zu entspannen, den Straßenmusiker_innen zuzuhören oder auf dem trubeligen Flohmarkt sonntags einzukaufen. Einige hundert Meter entfernt befindet sich die Gedenkstätte Berliner Mauer, die umfangreich über die Mauer in der Bernauer Straße und die DDR Grenze informiert.
Im Jahr 1996 wurde der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark mit dem Bau der Max-Schmeling-Halle erweitert. Die Mehrzweckhalle, benannt nach dem deutschen Boxweltmeister im Schwergewicht, kann für sportliche Wettkämpfe bis hin zu Konzerten genutzt werden und ist zugleich Heimat des Volleyball-Bundesligisten Berlin Recycling Volleys und des Bundesliga-Handballvereins Füchse Berlin.
Der BFC Dynamo
Alltag und Diktatur:
Erich Mielke
Er baute den Staatssicherheitsdienst in der DDR auf und war von 1957 bis zum Ende der DDR Minister für Staatssicherheit. Er war einer der Hauptverantwortlichen für den Ausbau des flächendeckenden Kontroll-, Überwachungs- und Unterdrückungssystems in der DDR.
Zur Zeit von Mielkes Amtsantritt hatte die Behörde rund 14.000 hauptamtliche Mitarbeiter_innen, 1989 waren es ca. 91.000.
MfS
Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS, kurz Stasi) war eines der wichtigsten Instrumente, um die Herrschaft der SED zu sichern. Die Stasi überwachte die DDR-Bürger_innen flächendeckend und präventiv. Häufig setzte sie auch Repressalien wie Gewaltanwendung, Freiheitsberaubung, Einschüchterung und Erpressung ein, um an ihre Informationen zu gelangen. Im Durchschnitt kam auf 100 Einwohner_innen ein IM (informelle/r Mitarbeiter_in). Siehe: Jens Gieseke: Die Stasi 1945-1990. München 2011.
Der BFC Dynamo nutzte das Jahn-Stadion von 1971 bis 1992, durchgehend bis auf die Zeiten der Sanierungsarbeiten von 1986/87, und feierte hier neun seiner zehn aufeinanderfolgenden DDR-Meistertitel von 1979 bis 1988.
Erich Mielke, Minister für Staatssicherheit, war Vorsitzender der (Gesamt-)Sportvereinigung Dynamo der DDR und Ehrenvorsitzender des BFC Dynamo. Er brachte die besten Spieler aus der ganzen DDR nach Berlin und ließ sie für “seinen Verein” spielen. Der BFC sollte Aushängeschild des DDR-Fußballs werden. Dies führte zu Verdruss bei vielen Fans und Fußballvereinen in anderen Städten, doch konnten diese sich nicht wirklich gegen Mielke zur Wehr setzen. Einzig der Verein Dynamo Dresden bot dem BFC Dynamo die Stirn und war mit seinen eigenen Spielern ein starker Konkurrent.
Fußballfans
Das Verhältnis der Spieler und Fans zu “ihrem” Verein BFC Dynamo war ambivalent: Auf der einen Seite war der “Mielke-Verein”, insbesondere in den 1980er Jahren in der Bevölkerung eher unbeliebt. In den letzten Jahren war es für die einfachen DDR-Fußballfans schwierig an Eintrittskarten heranzukommen. Karten, besonders bei den Europapokalspielen wurden an linientreue Genossen vergeben. So verlor der Verein kontinuierlich an Fans. Gleichzeitig kamen mehr Hooligans hinzu. Die Stimmung wurde mit den Jahren immer aufgeheizter und Spieler wurden vor und während der Spiele häufig ausgepfiffen.
“In der ganzen Wut auf die angebliche Bevorzugung des Stasiklubs aus der Hauptstadt drückte sich die Krise der DDR aus. Das war der Ärger der Provinz auf die angeblich verwöhnte Hauptstadt, wo es Apfelsinen und Bananen gab.”
Sicherlich kam auch Langeweile auf, da der Verein zwischen 1979 und 1988 zehn Mal in Folge DDR-Meister wurde. Dabei wurde so manche Entscheidung der Schiedsrichter von den Zuschauer_innen in Frage gestellt, beispielsweise der sogenannte Schand-Elfmeter 1986, der ein Ausgleichstor für BFC Dynamo gegen Lok Leipzig ermöglichte. Viele Bürger_innen empörten sich und schrieben Eingaben, also Beschwerdebriefe an Behörden und Parteiämter. Es gab Untersuchungen und schließlich wurde der Schiedsrichter bestraft. Ob Mielke aktiv hinter den fragwürdigen Entscheidungen stand, oder ob die Schiedsrichter im vorauseilendem Gehorsam handelten, ist historisch noch nicht aufgearbeitet worden.
Fußballer
1. FC Union und Hertha BSC
Der 1. FC Union Berlin entstand 1966 nach zahlreichen Umstrukturierungen im Laufe vieler Jahre. Bereits 1906 wurde mit dem FC Olympia Oberschöneweide der erste der Vorgängervereine in der damaligen Berliner Randgemeinde gegründet. Zwischen 1909 und 1945 traten die Mannschaften als SC Union Oberschöneweide an.
Im Jahr 1950, ein knappes Jahr nach der Gründung der DDR, verließen viele Spieler Union Oberschöneweide und gründeten im Westteil Berlins den SC Union 06 Berlin, während sich bald darauf der verbliebene Rest der Aktiven einer Betriebssportgemeinschaft anschloss, die später in einem Sportclub aufging. Aus der Fußballsektion des Turn- und Sportclubs Berlin heraus wurde schließlich der 1. FC Union Berlin neu gegründet. Weil er im Gegensatz zum FC Vorwärts und zum BFC Dynamo ein zivil organisierter Club war, genoss der Verein bei der Bevölkerung Ost-Berlins und den Fans viele Sympathien. Bei Spielen in der DDR-Oberliga kam es immer wieder zu Ausschreitungen von Anhängern.
Viele Union-Fans bekannten sich auch zu Hertha BSC – eine Sympathie, die bis 1989 in der Zeit der Berliner Mauer erhalten blieb. Diese Beziehungen versuchte der DDR-Staatsicherheitsdienst zu unterbinden. Die Spieler als Leistungssportler wurden überwacht, um Kontakte zum Klassenfeind und Fluchten ins westliche Ausland zu verhindern. Im Januar 1990 verfolgten mehr als 50.000 begeisterte Zuschauer_innen ein Freundschaftsspiel zwischen Hertha und Union. Inzwischen sind die Clubs zu sportlichen Kontrahenten und die Fans zu Rivalen geworden.
Auf der anderen Seite war es für viele Spieler eine Ehre beim BFC Dynamo zu spielen und ein Zeichen der Anerkennung für ihre sportlichen Leistungen. Denn, dass hier die besten Spieler zusammen kamen, das kann nicht bestritten werden.
Sie genossen Privilegien, wie bessere Ausstattungen der Sporteinrichtungen und hatten häufiger die Möglichkeit zu Spielen ins Ausland zu reisen, beispielsweise zum Europapokal. Die Stasi bespitzelte die gegnerischen Mannschaften und ging davon aus, dass die Gegenseite das gleiche tat. Deswegen fanden die Mannschaftsbesprechungen im Ausland immer unter freiem Himmel statt.
Von diesen Auswärtsspielen kehrten allerdings nicht alle zurück, wie zum Beispiel Lutz Eigendorf, der später in Westdeutschland bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben kam. Oder Falko Götz und Dirk Schlegel, die sich 1983 vor einem Europapokalspiel in Belgrad in die Bundesdeutsche Botschaft flüchteten und in der Bundesrepublik erfolgreiche Spieler wurden.
Nach dem Mauerfall lockten viele westdeutsche Fußballvereine Spieler an, sodass viele Vereine der ehemaligen DDR zunächst an Relevanz verloren. Heute spielt der BFC in der Fußball-Regionalliga Nord-Ost.
Nicht der einzelne zählt, sondern das Kollektiv
Gottfried Weise moderierte die TV-Sendung “Fußball Panorama”, die ab 1976 jeweils sonntags im DDR-Fernsehen ausgestrahlt wurde. In einem Interview mit 11Freunde erklärt Gottfried Weise, dass die Fußballer nicht gerne mit Journalisten sprachen, da sie sich niemals sicher sein konnten, ob ihre Aussagen von der Staatssicherheit gegen sie verwendet würden: “Wir kamen aus Berlin, deswegen waren viele außerhalb misstrauisch, wenn wir anreisten. Spieler waren reserviert, weil sie sich fragten, mit wem der Journalist Kontakt hatte.” Und Weise unterstreicht: “Die meisten Fußballer wollten nicht auffallen. Sie wuchsen in dem Bewusstsein auf, dass das Kollektiv über alles ging.”
Bei der Reportage von Fußballspielen galt immer die politische Vorgabe, dass man gegenüber den sowjetischen Bruderländern leichte Sympathie pflegen, gegenüber den Spielern der Bundesrepublik aber einen sachlich-distanzierten Ton einnehmen sollte. Auch sollten die Spieler mit ihren Nachnamen genannt werden und nicht etwa mit Vor- oder Spitznamen, erinnert sich Gottfried Weise.
Fußball als Ventil
Hooligans waren in den 1980er Jahren nicht nur ein Phänomen im Westen, sondern auch in der DDR weit verbreitet. Besonders die Fans des BFC Dynamo trugen nach den Spielen viele Kämpfe mit gegnerischen Fangruppen aus, randalierten und verschreckten die Bevölkerung. Die DDR-Sicherheits-Organe konnten, trotz Verhaftungen und Bestrafungen, die Lage nicht komplett kontrollieren. Die Einstellungen der Hooligans zur DDR waren ambivalent. Mal nutzten die Randalierer die Anonymität der Masse, um mit Rufen wie “Stasi raus!” und “Mielke in die Produktion!”, Kritik am Staat zu üben.
“Die rebellische Jugend lebte einen kurzen Traum unbestimmter Freiheit. Mit ihrer Wut, der Freude an der Provokation, ihrer unklaren Anti-DDR-Haltung.”
Mal gab es aber auch Ausschreitungen wie die am 17. Oktober 1987, die durchaus im Sinne der Stasi gewesen sind. An dem Tag wurde ein Konzert der Punkband “Element of Crime” in der Zionskirche von Hooligans gestört und schließlich beendet. Einige der teilnehmenden Hooligans gehörten zum Fananhang des BFC Dynamo. Immer wieder wurde vermutet, dass Mielke die Hooligans auf das Konzert und die Besucher_innen angesetzt haben soll.
Adresse: Fußballstation Cantianstraße 24, 10437 Berlin