Der Bäcker Hacker bleibt

Backe, backe, Hacker – Im Prenzlauer Berg gab es in den letzten dreißig Jahren nicht viele Konstanten. Seit dem Mauerfall hat sich der Bezirk extrem gewandelt. Bei einer kleinen Bäckerei in der Stargarder Straße ist fast alles beim Alten geblieben.

Thomas Hacker – Über das Backen in der DDR

“Ich fange um Mitternacht an zu backen und ab und zu beschwert sich einer, weil es dann im ganzen Haus nach Bäckerei riecht”, sagt Thomas Hacker und schmunzelt. Wer sich heute über den Geruch frischer, selbstgebackener Schrippen beschweren kann, lebt in einem der wenigen Kieze in Berlin, in denen es noch traditionelle Bäcker wie die Familie Hacker gibt. Der Prenzlauer Berg, in dem die Bäckerei liegt, hat sich in den letzten fast dreißig Jahren genau wie der Rest der Hauptstadt stark verändert. Zu DDR-Zeiten wohnten hier vor allem Arbeiter_innen, Künstler_innen und Kreative. Während die SED-Regierung mit ihrem Wohnungsbauprogramm junge Familien in die Neubaugebiete zu locken versuchte, blieben die renovierungsbedürftigen Bauten im Prenzlauer Berg oftmals auf der Strecke und die Mieten entsprechend niedrig.

Altbau mit Stuck und Balkon

Das ist heute anders. Der Prenzlauer Berg zählt mittlerweile zu einer der begehrtesten und damit auch teuersten Wohngegenden in Berlin. Junge Familien, Akademiker_innen, gehobene Mittelschicht. Die wenigen unberührten Häuser werden von Investoren aufgekauft und teuer saniert. Alte Mieter_innen wurden nicht selten verdrängt. Das hat auch Thomas Hacker schon zu spüren bekommen: Vor einigen Jahren wollte der damalige Hauseigentümer ihn am liebsten vor die Tür setzen. Bis vor das Gericht habe er ihn gezerrt. Am Ende blieb die Bäckerei. Der neue Eigentümer ist froh, um das Stückchen Kiezkultur, das so erhalten bleibt.

Bäcker Hacker
Die letzten ihrer Art. Neben der Bäckerei & Konditorei Balzer in der Sophienstraße 31 und der Bäckerei Siebert in der Schönfließer Straße 12, ist die Bäckerei Hacker in der Stargarder Straße eine der letzten ihrer Art im Prenzlauer Berg. © Johannes Girke – KOOPERATIVE BERLIN

Wie der Vater, so der Sohn

Die Bäckerei, in der Thomas Hacker Tag ein Tag aus frische, selbstgebackene Schrippen, Kekse und Kuchen backt, gibt es schon seit 1896. Sein Vater Siegfried fing 1970 hier seine Gesellenausbildung an. 1982 übernahm er dann den Laden und taufte ihn in “Bäckerei Hacker” um. Sein Sohn Thomas folgte wenig später in seine Fußstapfen und schloß 1990 seine Ausbildung zum Bäckermeister ab.

Das Interieur der Bäckerei hat sich in diesen knapp 30 Jahren nicht wesentlich verändert: Es wird mit den alten Knetmaschinen aus DDR-Zeiten gearbeitet, die Brote noch von Hand geformt. Gebacken wird im original Backofen von 1970. Auch das Sortiment ist größtenteils gleich geblieben, was einer der Gründe dafür sein dürfte, dass sich verlässlich jeden Samstag eine Schlange hungriger Kiezbewohner_innen vor dem Laden bildet.

Engpass Erdbeere

Alltag und Diktatur:

Mangelwirtschaft

Die Grundbedürfnisse der Bürger_innen an Lebensmitteln wurden von der SED-Führung gedeckt, indem die Preise der Grundnahrungsmittel stark subventioniert wurden. Engpässe gab es durchgängig bei hochwertigen materiellen Dingen wie Kleidung, Möbeln, etc. aber auch bei Lebensmitteln wie Obst, Gemüse oder Kaffee. Viele Bürger_innen bemängelten die Engpässe in der Versorgung sowie das System der sogenannten Bückware. Als Bückware wurden jene Artikel bezeichnet, die unter der Hand zumeist an Bekannte und im Tauschgeschäft vergeben wurden. Das stark begrenzte und eintönige Angebot blieb bis zum Ende kennzeichnend für die Misswirtschaft der SED.

Natürlich ist auch bei den Hackers nicht alles beim Alten geblieben. Die Beschaffung der Zutaten, die zu DDR-Zeiten immer wieder eine Herausforderung war, ist heute kein Problem mehr. “Mehl, Salz, Eier und Margarine gab es immer”, erinnert sich Hacker. “Bei Nüssen oder Obst gab es immer wieder Engpässe”. Wollte er einen Erdbeer-Sahne-Kuchen backen, musste er schon mal mit dem Anhänger ins 60 Kilometer entfernte Werder düsen, um eigenhändig das Obst aufzuladen. Oftmals war die Beschaffung nur über persönliche Kontakte möglich.

Mehr Zutaten, weniger Mitarbeiter_innen

Weil das volkseigene Backwarenkombinat der großen Nachfrage nicht hinterher kam, sah sich die Regierung gezwungen, den Bäcker_innen zu erlauben, ihr eigenes Unternehmen zu bewirtschaften. Zwischenzeitlich arbeiteten so bis zu zehn Angestellte in Hackers Bäckerei. Heute hat er mehr Zutaten, dafür weniger Mitarbeiter_innen. Denn in der Backstube arbeiten sie heute nur noch zu viert.

Auf ‘ne Molle

Zwar ist heute vieles einfacher, aber eben immer noch nicht alles leicht. Einmal im Monat treffen sich die Berliner Bäcker_innen in einer kleinen Kneipe zum Stammtisch, um sich untereinander auszutauschen, um von Neuigkeiten und Sorgen zu berichten. Manchmal erzählt man sich noch von den schwierigen Jahren, im gerade wiedervereinigten Deutschland. Von der Währungsreform, den steigenden Preisen und sinkenden Löhnen. Von den gesellschaftlichen Umbrüchen, die für die Bäcker_innen oft schwierige Jahre bedeuteten. Damals verließen viele Bewohner_innen den Prenzlauer Berg, die alte Kundschaft brach weg. “Eine Zeit lang war es schwer, viele haben damals aufgegeben”, erinnert sich Hacker.

Bäcker Hacker
Die gute, alte Backstube © Johannes Girke – KOOPERATIVE BERLIN

Trotz allen Backshops und Fertigbäckereien liegt die traditionelle Bäckerei wieder voll im Trend und ist auch bei den neuen Nachbar_innen beliebt. Gelegentlich kommt sogar der eine oder die andere vorbei, die die Backstube noch aus DDR-Zeiten kennen. Sie kaufen ihre Schrippen und quatschen ein bisschen oder genießen den Duft.


Adresse: Bäcker Hacker Stargarder Straße 69, 10437 Berlin

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