Die ostdeutsche Cinémathèque – Das Filmmuseum in Potsdam

Wegen seiner Nähe zur Filmstadt Babelsberg, scheint es naheliegend, dass Potsdam ein Filmmuseum hat. Doch bis dahin war es ein weiter Weg.

Cinémathèque Française

Alltag und Diktatur:

DEFA

Die Deutsche Film Aktiengesellschaft (DEFA) gründete sich 1946 und war ab 1949 die staatliche Filmproduktionsgesellschaft der DDR. Die Aufgabe der DEFA sollte darin bestehen, die Zuschauer_innen zu “sozialistischen Bürgern zu erziehen”. Die Hauptthemen waren zu Anfang “Antifaschismus” und “sozialistischer Realismus”. Es entstanden Antikriegsfilme und Filme in der Tradition der Arbeiterklasse. Zum Ende hin wurden die Filme vielfältiger und ließen teilweise auch (versteckte) Kritik am System zu. Siehe: Klaus Finke: Politik und Film in der DDR. Oldenburg 2008. Und siehe auch: www.defa-stiftung.de

1965 als Zäsur in der Kulturpolitik

Der Künstler Fritz Cremer hatte 1965 die Kulturpolitik der DDR kritisiert und für Veränderungen plädiert. Auf dem darauffolgenden 11. Plenum vom 16.-18.12.1965 kritisierten weitere Künstler_innen das Vorgehen der SED, wodurch es unter Walter Ulbricht, sekundiert von Erich Honecker zu einem kulturellen Kahlschlag, besonders auf dem Gebiet der Literatur, des Films und des Fernsehens, kam. Es war eine schwere Niederlage für alle, die offen über Schwierigkeiten in der DDR und Lösungsansätze sprechen wollten. Es wirkte beängstigend und lähmend auf das gesamte geistige und kulturelle Klima.
Viele Bücher und Filme wurden verboten. Andersdenkende mussten ihre Positionen räumen. So auch der damialige DEFA-Direktor Joachim Mückenberger.

1958 gab es eine Wanderausstellung zu 60 Jahren Film von Henry Anglois, dem Gründer der Cinémathèque Française. Die Cinémathèque setzte sich für die Erhaltung der Filmkultur ein, rekonstruierte alte Filme und strahlte sie aus. Joachim Mückenberger, der damalige Direktor des Spielfilmstudios der DEFA (Deutsche Film Aktiengesellschaft), war davon so begeistert, dass er ein ähnliches Museum in der DDR entstehen lassen wollte. Der Mangel an Entscheidungswillen bei Kulturvorsitzenden, Geldfragen und die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten ließen das Projekt allerdings über lange Zeit stagnieren.

Der vergessene Pferdestall in Potsdam

Zwar hätte man ein solches Museum gerne in Ost-Berlin eröffnet, allerdings fand sich dort kein geeigneter Ort. In Potsdam stand dagegen der Marstall, ein ehemaliger Pferdestall Friedrich Wilhelm I., vernachlässigt und leer da. Das Gebäude war heruntergekommen und passte nicht mehr in den architektonischen Gesamtentwurf des Areals. Nachdem das von Luftangriffen 1945 zerstörte Schloss 1960 bereits abgerissen worden war, wollte die SED-Führung in Potsdam auch den Marstall abreißen lassen. Stattdessen sollte eine Hauptstraße nach sozialistischem Bauideal entstehen, die den Potsdamer_innen den Glanz des Lebens in der DDR aufzeigen sollte.

Im Wandel der Zeiten

Der Marstall wurde ursprünglich als Orangerie im 17. Jahrhundert erbaut. Damals stand das Gebäude im Sommer leer, da die Pflanzen in den Parks verteilt standen. So gab es Platz für Theateraufführungen, Konzerte, große Essen und sonstige Festlichkeiten. Im Winter zogen dann die Pflanzen wieder ein.

1714 ließ der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. das Gebäude zum Marstall umwandeln. Fortan standen dort die preußisch-königlichen Pferde. Die Gärten ließ er zu Exerzierplätzen umgestalten.

Denkmalpflege und Sanierung

Schließlich entschied sich die SED-Führung doch für die Sanierung des ältesten Gebäudes der Stadt durch die Polnischen Staatlichen Werkstätten für Denkmalpflege. Die Planungen für das Filmmuseum begannen 1974, zur Ausführung kam es 1977-1980. Da es sich um ein sehr langes und schmales Gebäude handelt, stellte der Umbau zum Museum eine große Herausforderung dar. Im Jahre 1981 konnten die Potsdamer_innen zum ersten Mal die Filmtechnik-Ausstellung, das Café und das Kino besuchen. Die offizielle Eröffnung des Filmmuseums der DDR wurde auf den 1. Februar 1983 verlegt.

Nur die deutsche Filmgeschichte

Da die Räumlichkeiten begrenzt waren, widmete sich die Ausstellung ausschließlich der Geschichte des deutschen Films. Zudem mangelte es nicht nur an Raum, sondern auch an Geld und an Exponaten, die man hätte ausstellen können – auch wenn das Staatliche Filmarchiv aushalf.

In dem Ausstellungsteil von vor 1945 wurde der Einfluss (west-)deutscher Filmtheoretiker wie Ulrich Gregor, Enno Patalas und ihres Vordenkers Siegfried Kracauer sehr deutlich. Für die DEFA-Zeit nach 1946 wurden alle verbotenen Filme und unliebsamen Filmemacher_innen und Schauspieler_innen, die die DDR verlassen hatten, ignoriert und fanden keinen Platz in der Ausstellung.

Eine bedeutsame Sonderausstellung gab es 1988 über Wolfgang Staudte, den Regisseur des ersten DEFA-Films “Die Mörder sind unter uns” (1946). Bedeutsam auch, weil es eine Gedächtnisausstellung war, die durch das 1986 geschlossene Kulturabkommen zwischen der DDR und der Bundesrepublik in Zusammenarbeit mit dem Filminstitut in Düsseldorf entwickelt worden war.

Kino zum Aufwärmen der Herzen, der Seele und des Körpers

Interview mit Helen Thein – Die Potsdamer Kinos

“Wir wohnten fast alle als “Schwarzwohner” im fast verfallenen Holländischen Viertel. Wir zahlten Strom und Wasser und konnten somit halb-legal dort wohnen. Nach der Arbeit feuerte man den Kachelofen an und dann sind wir ins Filmmuseum gegangen, da es dort beheizt war.” So Helen Thein, Bibliothekarin, die ihre Jugendzeit als Punk in den 1980er Jahren beschreibt.

Und in der Tat wurden in dem Kino des Filmmuseums nicht nur DEFA-Filme gezeigt, sondern auch experimentelle Filme, wie beispielsweise “Solaris” des sowjetischen Filmemachers Andrei Tarkowski von 1972 oder “Stalker” von 1978/79, aber auch Filme von Jean Cocteau, dem großen surrealistischen Dichter und Regisseur Frankreichs. In den Nachmittagsvorstellungen saßen dann ca. 20 Personen zusammen, wärmten sich im beheizten Kinosaal auf und staunten über die Bilderwelten, die sie erblickten.

Filmmuseum (c) Anna Stecher - Kooperative Berlin
Filmmuseum Potsdam (c) Anna Stecher – KOOPERATIVE BERLIN

Bis in die 1970er Jahre hieß die Adresse: Schlossstraße 1. Nach der Eröffnung des Filmmuseums wurde die Straße in Karl-Liebknecht-Forum 1 umbenannt.

1992 wurde das Gebäude von Grund auf erneuert. Die lichtdurchflutete Großzügigkeit seines allerersten architektonischen Entwurfs der Orangerie kommt wieder zum Vorschein.


Adresse: Filmmuseum Breite Straße 1A, 14467 Potsdam

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