Die Laubenpieper im Freizeitglück: Gartensiedlungen in der DDR

“Dreißig Meter im Quadrat, Blumenkohl und Kopfsalat, wer so einen Garten hat, fühlt sich wohl in der Stadt”, so sangen es die Jacob Sisters, ein Schlager-Quartett aus der Nähe von Leipzig. Datschen hatten einen hohen Stellenwert in der Freizeitkultur der DDR.

Datsche

Die russische Datscha (dača = vom Fürsten verliehene Schenkung) mischte sich mit der deutschen Schrebergartenkultur. Doch die Datscha wurde von den Russen häufig als dauerhafter Wohnort, wenigstens über die Sommermonate hinweg, erdacht. Zur typischen Datsche mit ein bis zwei Stockwerken und einem Blechdach gehört immer auch ein Garten. Allerdings nannte auch Stalin seine Villa im Grünen eine Datscha.

Im Sommer 1989 kamen laut den Historiker_innen Ulrike Häußler und Marcus Merkel auf 13 Millionen erwachsene Ostdeutsche 2.6 Millionen Wochenendgrundstücke und 855.000 Kleingärten. Fast jeder zweite Haushalt hatte irgendwo im Grünen seine Parzelle zum Abschalten und verschwand am Wochenende ins Grüne.
Durch die Versorgungsschwierigkeiten – vor allem der Lebensmittelknappheit der 1960er und 1970er Jahre – gewannen die Wochenendgrundstücke immer mehr an Beliebtheit. In den Parzellen wurde Obst und Gemüse zum Eigenverbrauch oder zum Weiterverkauf angebaut. Die Eigengewächse trugen schon recht bald zur Versorgung der Bürger_innen bei. Die Grundstücke selbst wurden vom Staat vergeben. Nicht zuletzt um der Unzufriedenheit im Land mit einem kleinen Gefühl von Freiheit zu begegnen.

Ein zweites Zuhause

Sommerfest in der Wochenendanlage "Am Bauersee" in Berlin-Müggelheim (1977) (c) Bundesarchiv Bild-183-S0908-001 / Fotograf: Sturm
Sommerfest in der Wochenendanlage in Berlin-Müggelheim (1977) (c) Bundesarchiv Bild-183-S0908-001 / Fotograf: Sturm

Kurz vor dem Wochenende herrschte oft Ausnahmezustand in den städtischen Kaufhallen. Vieles wurde doppelt gekauft: Für die Datsche und für das Zuhause. Rostbrätel, Buletten, Schaschlik, dazu Bier, Brause oder Korn. Für viele Ostdeutsche war die Datsche ein zweites Zuhause im Grünen. Da meist beide Elternteile arbeiteten und die Kinder außerhäuslich betreut wurden, holte man das Familienleben am Wochenende nach. Alle paar Wochen fanden Feste in den Laubenkolonien statt. Sei es Fasching, Frühlingsfest, Bockbierfest, Preisskat, Schlachtefest oder Jugendweihe.

Erntezeit im Schrebergarten (1948) (c) Bundesarchiv Bild-183-1990-0417-501 / Fotograf: Blunck
Erntezeit im Schrebergarten (1948) (c) Bundesarchiv Bild-183-1990-0417-501 / Fotograf: Blunck

Ein Stasi-Bunker in der Gartensiedlung: Die Alfred-Frank-Gartensiedlung

Eine nahezu perfekte Tarnung für einen Stasi-Bunker lieferte die Alfred-Frank-Gartensiedlung an den Lübschützer Teichen. Fast alle Bezirksverwaltungen des Ministeriums für Staatssicherheit verfügten über unterirdische Ausweichführungsstellen, die im Kriegsfall oder bei bürgerkriegsähnlichen Ereignissen die Weiterarbeit der Stasi gewährleisten sollten. In der kleinen Gemeinde Machern, etwa 30 km östlich von Leipzig, befindet sich eine dieser Bunkeranlagen, die auch heute noch sehr gut erhalten ist und besichtigt werden kann. Das zu DDR-Zeiten als Anlage der Wasserwirtschaft getarnte Objekt liegt mitten in dem Waldgartenverein Lübschützer Teiche e.V., der bis in die 1990er Jahre den Namen des kommunistischen Widerstandskämpfers Alfred Frank trug. Wie viele der Bewohner_innen vor 1989 von der Existenz des Bunkers wussten, lässt sich nicht mehr ermitteln. Enttarnt wurde er im Spätherbst 1989, als sich Stasi-Mitarbeiter_innen in der Leipziger Ausweichführungsstelle auf die Bekämpfung der Bürgerbewegung vorbereiteten.


Adresse: Stasi-Bunker in der ehemaligen Alfred-Frank-Datschensiedlung Lübschützer Teiche, 04827 Machern

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